1957

1957

Planungsmodell Schellenmühle
Geschichtlicher Kurzbericht

Über die Aschaffenburger Schützengesellschaft


Aus Anlass:
Unterfränkisches Bezirksschießen 
 
mit Standeinweihung des neuen Schützenhauses Schellenmühle
510 jähriges Bestehen 
der Königlich privilegierten Schützengesellschaft 1447 Aschaffenburg
1000 Jahrfeier Stift und Stadt Aschaffenburg


Vom 27. Juli bis 11. August 1957

Die Aschaffenburger Schützengesellschaft 1447 reicht mit ihrer Geschichte viel weiter zurück, als urkundliche Nachweise sie belegen. Sie geht zurück in eine Zeit, wo vor mehr als 500 Jahren es zur vornehmsten Pflicht eines Bürgers einer Stadt gehörte, diese, die Familie und den eigenen Herd gegen  Übergriffe zu verteidigen. Es war eine Zeit, wo die Bürger die Freiheit ihrer Stadt noch als höchstes Gut empfanden und bereit waren zur Verteidigung derselben sich selbst mit Gut und Blut einzusetzen und diese Aufgabe nicht nur Söldnern zu überlassen, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, sie zu verlieren. So hatte auch Aschaffenburg mit dem Bestehen seiner Stadtrechte und seiner trutzigen Umwehrung seine Bürger unter Waffen, die anfänglich mit Pfeil und Bogen, dann mit der Armbrust und schließlich mit der Feuerwaffe ausgerüstet waren. Die Armbrust war in Deutschland bereits im 9. Jahrhundert bekannt. Sie wurde im 12. Jahrhundert aber erst gebräuchlich, um im 13. Jahrhundert allgemein das Feld zu beherrschen. Die Feuerwaffen kamen im 14. Jahrhundert in Deutschland immer mehr zur Geltung - das Schießpulver wurde 1330 erfunden. Auch in Aschaffenburg war die Armbrust eine gebräuchliche Waffe, was daraus hervorgeht, dass die Stadt zum Zwecke der Ausbildung der Schützen einen eigenen "Armbruster" hielt. Die Erziehung der Bürgerschaft zum Wehrdienst bildete eine wichtige Aufgabe des Stadtmagistrates, der dafür sorgte, dass jeder Bürger seine ganze Kraft in den Dienst der Stadtverteidigung stellte. Durch Bereitstellung von Schießständen, Schützenhäusern, durch Dotierung in Geld- und Sachwerten und durch Verleihung von Privilegien an die Schützengesellschaft wie an einzelne Schützen ermöglichte und förderte er die Wehrausbildung. Bereits 1344 berief nach urkundlichem Nachweis der damalige Kurfürst Heinrich III. aus dem gräflichen Hause von Virnenburg einen Feuerschützen in seine Residenzstadt Aschaffenburg.

Laut einer Brückenbaurechnung baute die Stadt Aschaffenburg 1447 eine steinerne Brücke über den Main. An dieser ließ sie neben einem Zollhaus auch ein größeres zweistöckiges steinernes Schützenhaus für die Feuerschützen errichten, von dem aus man 120 Ellen weit nach dem auf dem rechten Mainufer gelegenen "grauen Stein" schoss. Gestützt auf diesen einwandfreien urkundlichen Nachweis gilt das Jahr 1447 als Anfang der Aschaffenburger Schützengesellschaft; das gibt die Berechtigung zum 510 jährigen Jubiläum ihres Bestehens. Die in Aschaffenburg vorhandenen Feuerschützen wurden noch im gleichen Jahr unter Kurfürst Theoderich Schenk von Erbach zu einer Schützenkompanie zusammengefasst und organisiert.  Die Offiziere für die militärischen Übungen erannte der Landesherr. Die Vorsteher (Schützenmeister) für die Schießübungen und internen Festlichkeiten wählten die Schützen selbst. Zur Vertretung der städtischen Interessen stellte die Stadt einen Schützenherrn (Vorläufer des jetzigen Schützenkommissars) auf, der meistens aus den Magistratsräten oder den höheren Schichten der Bürgerschaft genommen wurde.


Durch den Hinzutritt nicht militärisch geschulter Bürger, die Lust und Freude am Schießsport und an der Handhabung der Feuerwaffe hatten, erweiterte sich die Schützenkompanie zu einer Schützengesellschaft, die Jahrhunderte hindurch den Adel, das Beamtentum, die Bürgerschaft und auch die Geistlichkeit zu einer harmonischen Institution vereinte, die neben der Pflege der Wehrfähigkeit auch kulturelle und gesellschaftliche Aufgaben erfüllte. Alsbald wurde auch der St. Sebastianstag mit einem feierlichen Schützenamt begangen, welch löbliche Übung sich durch die Wechselfälle der Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Bereits am 7. Oktober 1448 hielten die Schützen anlässlich des Einzuges Kaiser Friedrichs III. ein-großes Festschießen im Schießhaus auf der Mainbrücke ab. Zu den regelmäßig stattfindenden Schützenfesten und Preisschießen stellte der Magistrat der Stadt zur Auszeichnung der besten Schützen ansehnliche Sachpreise und Geldpreise zur Verfügung.  Zu solchen Preisschießen lud die Aschaffenburger Schützengesellschaft auch die Schützen anderer Städte ein, so von Mainz, Friedberg, Miltenberg u. a., wie sie auch an auswärtigen Preisschießen teilnahmen und zwar bereits 1490 in Amöneburg. Anlässlich der Hochzeit des Grafen und Fürsten Hermann zu Hammelburg mit Elisabeth von Brandenburg 1491, veranstalteten die Schützen im Rahmen der von der Stadt vorgesehenen Festlichkeiten einen großen Festzug und ein Lustschießen mit Turnieren, Fackeltänzen usw. Auch in den folgenden Zeiten trugen die Schützen zu allen Festlichkeiten ihrer Landesherren und der Stadt ihr Teil bei. 1488 wurde der bislang von den Ambrustschützen benützte "hinter Damme am Reichertsberg" gelegene Schießplatz für die Zwecke der Feuerschützen neu hergerichtet. Dort stand auch ein eigenes Schützenmeisterhaus. Im Bauernkrieg hielten es die Aschaffenburger Bürger und mit ihnen die Schützenkompanie mit den Aufständischen. Sie schlossen sich dem aus dem Odenwald hervorbrechenden "Höllenhaufen" an, halfen bei der Belagerung des kurfürstlichen Schlosses und beteiligten sich an der Plünderung der geistlichen Güter. Zur Strafe entzog der Kurfürst Albrecht von Brandenburg durch Dekret seines Vizedoms vom 7. Mai 1525 der Stadt alle Privilegien und machte die Bürger wehrlos. Alle Waffen mussten auf dem Schloss abgeliefert werden. Der Besitz, das Tragen oder Erwerben von Waffen war mit der Todesstrafe bedacht. Dies bedeutete auch das Ende der Schützengesellschaft. Aber bereits 1533 fand wieder ein Armbrustschießen und ein Scheibenschießen der Schützenkompanie statt, zu dessen Schlussschießen auf Martini die Stadt einen Hammel als Ehrenpreis stiftete. Während des 30-jährigen Krieges hielten die Schützen gleichviel ob kaiserliche oder schwedische Besatzung in der Stadt lag, an ihren Schießübungen und Gepflogenheiten fest.

1685 erhielten die Schützen vom Kurfürsten Anselm Franz von Ingelheim eine neue Schützenordnung und 1737 unter dem Kurfürsten Karl Grafen von Elz die neue Schützenfahne mit dem Elzischen, Schönbornschen und Aschaffenburger Wappen und dem Bild des Hl. Sebastian auf der Rückseite. Mit dieser Fahne nahm die Schützenkompanie unter ihrem Hauptmann Fröhlich am 11. Okt. 1798 an der Schlacht bei Höchst/M. gegen die Franzosen teil, wie sie auch zu anderen Zeiten zur Verteidigung der Interessen ihrer kurfürstlichen Landesherren und der Stadt Aschaffenburg ins Feld zog.

Die erste Blütezeit der Schützengesellschaft fällt in die Zeit der Zugehörigkeit der Stadt Aschaffenburg zum Kurfürstentum Mainz. Die Kurfürsten von Mainz residierten fast beständig in Aschaffenburg und stellten sich als Oberschützenmeister an die Spitze der Schützengesellschaft, während die Vicedome (Statthalter) von Aschaffenburg vielfach die Schützenmeisterstelle versahen. Die Kurfürsten, Vicedome und Stadtschultheißen, die die jeweiligen glanzvollen Schützenfeste eröffneten oder daran teilnahmen, gaben wertvolle Spenden. Die Stadt setzte ansehnliche Preise aus. Die Schützengesellschaft, die bislang im gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Stadt die Führung innehatte, wurde durch Dekret der kurfürstlichen Landesregierung vom 17. 3. 1800 wegen aufgetretener Schwierigkeiten und Streitigkeiten aufgelöst. Nach vier Jahren der Unterdrückung wurde die Schützenkompanie und mit ihr die Schützengesellschaft vom 28. 8. 1804 von Kurfürst und Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg, Erzbischof von Mainz, Fürst von Regensburg und Aschaffenburg, wieder ins Leben gerufen und von ihm als Oberschützenmeister neu organisiert.

Durch die politischen Umwälzungen anfangs des 19. Jahrhunderts kam Aschaffenburg 1814 zu Bayern. Die Schützenkompanie wurde dem Kgl. Landwehr-Batallion einverleibt, bis mit Einführung des Wehrgesetzes von 1867 die Landwehr ä. O. wegfiel. Von da ab fiel jegliche militärische Organisation weg und die Schützen bildeten nur noch eine Gesellschaft rein bürgerlichen Charakters. Unter ihren bayerischen Landesherren, die mit Angehörigen des Hauses Wittelsbach, des großherzoglichen Hauses von Hessen und des Adels oftmals in Aschaffenburg weilten, nahm die Schützengesellschaft erneuten Aufschwung. In Anwesenheit solch illustrer Gäste wurden von den Schützen prachtvolle Feste gefeiert, an denen die gesamte Stadtbevölkerung teilnahm. 1826 erklärten sich König Ludwig I. von Bayern und nach dessen Tod 1869 König Ludwig II. von Bayern als Oberschützenmeister, denen dann Prinzregent Luitpold als hoher Protektor folgte.

Im Januar 1874 wurde von der Generalversammlung die "Allgemeine Schützenordnung" für das Königreich Bayern v. 24. 8. 1868 als Statut angenommen. Seitdem führt die Schützengesellschaft den Namen Kgl. Priv. Schützengesellschaft 1447 Aschaffenburg. 


Der erste Weltkrieg 1914/18 unterbrach das Schützenleben. Zahlreiche Schützen wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Soweit sie wieder in die Heimat zurückkehrten, fanden sie neue Verhältnisse vor, mit denen fertig zu werden sie sich bemühten. Erst allmählich fanden sie sich wieder zu einem kameradschaftlichen Schützenleben zusammen. In würdiger Weise wurde 1922 das 475 jährige Stiftungsfest gefeiert. Mit Erfolg nahmen Schützenbrüder an Bundesschießen in München, Köln, Leipzig usw. teil und brachten viele schöne Preise nach Hause. Nicht unerwähnt darf die Weihe einer neuen, von den Schützendamen gestifteten Fahne im Jahre 1930 bleiben. Nach Überwindung nicht unerheblicher Bedenken und Schwierigkeiten fand in den 30er Jahren das Kleinkaliber-Schießen Eingang.

Das Ende des unglückseligen 2. Weltkrieges schien 1945 auch das endgültige Ende der Schützengesellschaft gebracht zu haben. Das Schützenhaus an der Miltenberger Bahnbrücke mit seinen Schießanlagen war durch Bomben zerstört. In den Gebäuderesten richteten sich ausländische Flüchtlinge ein und betrachteten sich als Eigentümer dessen, was die Bomben übrig gelassen hatten. Sie plünderten die Räumlichkeiten aus und vernichteten was sie nicht gebrauchen konnten oder wollten. Einmalige und kulturhistorisch wertvolle Werte an Vereinsgegenständen, Waffen, Protokollen usw. gingen damit unwiederbringlich dahin. Dazu kam am 3. 4. 1946 das Memorandum des Amtes der amerikanischen Militärregierung für Bayern, durch das die Schützengesellschaft verboten und ihr gesamtes Vereinsvermögen beschlagnahmt wurde. Dass die Vermögensbeschlagnahme später wieder aufgehoben wurde, verdanken wir nicht zuletzt den Bemühungen und rechtsgutachtlichen Darlegungen unseres Schützenbruders Goppel, 2. Bürgermeister der Stadt und Mitglied des bayerischen Landtages.

So wie im Jahre 1804 die Bürger Christoph Fröhlich und Heinrich Höffner die Schützengesellschaft wieder neu organisierten, fanden sich auch jetzt wieder unter den Schützenbrüdern, Männer, die noch von den unvergänglichen Schützenidealen beseelt und begeistert waren. Unter der Führung der Schützenbrüder Anton Büttner, Georg Ebert und Ferdinand Brenner nahmen sie das Vereinsleben unter dem vorerst gestatteten Namen "Bürgergilde Aschaffenburg 1447" wieder auf. Bei ihren wöchentlichen Zusammenkünften in der Kegelbahn "Hubertus-Winkel" huldigten sie dem
Kegel- und Kartenspiel. Sobald es die Zeitverhältnisse gestatteten, wurde auf der Kegelbahn das Schießen mit Luftgewehr auf 4 Ständen aufgenommen.

Im Jahre 1955 wurde das Vereinsgebäude an der Miltenberger Bahn an die Stadt verkauft, die darauf die Grünewaldschule errichtete. Nach langen Bemühungen, wobei sich die Schützenbrüder Josef Haus und Josef Schäfer besonders auszeichneten, konnte im Herbst 1956 das Anwesen "Schellenmühle" mit 8 ha Grundbesitz erworben werden. Damit war die Möglichkeit gegeben eine der traditionsreichen Schützengesellschaft eine würdige Schießanlage zu schaffen. Ab März 1957 ging es mit solchem Feuereifer an das Planen und Schaffen des neuen Schützenheimes mit Sportanlage, dass bereits am 12.8.1956 der Grundstein gelegt werden konnte. Nun ist es so weit, dass der erste Bauabschnitt der Gesamtplanung fertig gestellt ist. In dem Geschäftsjahr 1956/57 wurde wirklich Vieles geleistet. Es stehen uns aber noch weitere große Arbeiten bis zur endgültigen Schaffung der geplanten Gesamtanlage bevor.

Möge auch weiterhin unser Schutzpatron der Hl. Sebastian den Segen Gottes erbitten, auf dass unser Werk gelinge zur Freude und zum Wohle unserer altehrwürdigen und traditionsreichen Kgl. Priv. Schützengesellschaft 1447 und des gesamten deutschen Schießsportes.

Dr. Fl.